Radtour 21.-25.Mai 1995 Lauenburg-Waren

Sonntag, 1.Tag

Der Wecker beendet diesmal erst um 08:20 Uhr den zuletzt unruhigen Schlaf. Für die Statistik wird noch einmal das Gepäck gewogen: Außentaschen je 5 kg, Zelt, Luftmatraze, Zeltstangen und Schlafsack zus. 5 kg, Lenkertasche 3 kg und Getränke ca. 2 kg - die Gesamtlast von ca. 20 kg überschreitet das der letzten Tour um 1 kg. Das Wetter präsentiert sich gemischt: recht viel Sonne und ebenso viele dunkle Wolken. 10:13 Uhr treffen Andy, Mutti und Vati ein und die Räder werden auf den Golf verfrachtet. Zwischendurch trifft auch Ralph mit Familie ein. Schon 10:40 erfolgt die Abfahrt, der Ausgangspunkt der Tour, Hohnstorf hinter Lauenburg am Südufer der Elbe, wird 11:45 Uhr erreicht. Es wird wie üblich wieder etwas großzügig mit der Zeit umgegangen, aber die Tour soll ja schließlich nicht gleich im Streß beginnen. Nach der diesmal umfangreichen Verabschiedung geht's 12:50 Uhr los! Das Wetter hat sich noch nicht großartig verändert; der Wind zeigt sich aber zum Glück im Gegensatz zu 1991 nur sehr mäßig. Zügig geht's auf edlen Radwegen auf oder neben dem Deich bis Alt Garge, wo um 14:25 Uhr nach rund 1½ Stunden Fahrzeit und 29,1 km an der „Kälteanlage Astra“ eine 20-minütige Rast eingelegt wird. Mein linkes Knie wird jetzt besser, es hatte sich zunächst etwas störend eine Art Zerrung bemerkbar gemacht. Dafür habe ich jetzt juckende Rötungen schlimmster Art an beiden Oberschenkeln. Die Sonne gewinnt deutlich die Oberhand, es läßt sich angenehm auf der Bank sitzen. Bereits nach einer halben Stunde wieder eine Minirast am Kriegerdenkmal in Katemin (15:15 Uhr). Hier haben wir die 1991er-Route bereits verlassen; damals ging's rechts ab in Richtung Göhrde. Den herrlichen Blick vom Aussichtsturm Kniepenberg vor Hintzacker können wir um 16:05 Uhr bei km 46,8 nach 2:35 Fahrstunden genießen. Andy ist dieser Turm bereits von früheren Ausflügen bekannt, er bietet eine herrliche Aussicht auf Elbe und (stark überflutete) Uferwiesen. Das Wetter läßt jetzt nichts mehr zu Wünschen übrig. 16:30 Uhr Abfahrt Richtung Hitzacker. Der Weg führt durch vermutlich ehemaliges Militärgelände. Ein bis auf zwei Steine zugemauerter Bunker weist sich durch Schilder als Fledermausquartier aus. Erst hier fällt uns auf, daß ich meine Landkarte für diesen ersten Abschnitt nicht mitgenommen habe (wahrscheinlich, weil sich diesmal Andy um die neuen Karten gekümmert hat). Egal! Hitzacker wird ca.17:15 Uhr zügig durchquert, gerastet wird erst dahinter auf einer Bank in Wussegel direkt an der Elbe von 17:35 bis 17:50 Uhr. Dieser Platz erinnert mich seltsamerweise an Zollenspieker?! Die Elbe bietet hier einen wirklich schönen Anblick; allerdings müssen wir nun auch den Windungen und Schleifen dieses Flusses bedingungslos folgen. Die Sonne brennt geradezu im Nacken, es werden nur wenige Wolken gesichtet. Der Konsum von Eßbarem hält sich bislang in Grenzen: 1 Tafel Jogurette und einige Walnüsse. Als weitere Punkte auf dem aufgrund der Hitze teilweise leicht quälenden Abschnitt Richtung Dömitz werden notiert: 18:20 Uhr Landsatz, 18:35 Damnatz. Hier wird ein - ohne Übertreibung - mittelalterlich wirkender Bauernhof aufs Foto gebannt. Nicht einmal in Mecklenburg-Vorpommern wurde bisher so etwas gesichtet! (Zwischendurch wird - in den Aufzeichnungen nicht erwähnt - Dömitz passiert. Hier machen wir Pause an den Resten einer großen Eisenbahnbrücke, deren mächtige Stützpfeiler die rostigen Stahlgerippe und Gleisreste noch weit in Richtung anderes Ufer führen. Trotzdem die Leiter auf das festungsartige Brückentor mit Stacheldraht gesichert ist, klettern wir hier natürlich erst einmal ausführlich herum. Allzulange halten wir uns aber doch nicht auf, da die Lagerplatzfrage noch nicht so recht geklärt ist. Eine möglicherweise hier angedachte Elbquerung wird verworfen.) 19:35 Uhr: Ein leuchtend roter Fuchs wird in den Wiesen gesichtet! Schnell rast er davon. Aus den völlig überschwemmten Büschen und Bäumen erklingt ein seltsames (Vogel?)Konzert, wie Andy sagt, von „tibetanischen Rohrflöten“. Es wird heute sicher schwierig, bei soviel Nässe rundherum, einen anständigen Lagerplatz auszumachen. Um 20:30 Uhr haben wir nach über einer halben Stunde Sucherei einen passablen Platz in einem Kiefernwald gefunden, am Rande einer mittelgroßen runden Lichtung, von kleinem Buschwerk geschützt. Nach dem Zeltaufbau werden gemütlich Pfannengerichte gebrutzelt (mit dem Esbitkocher in wenigen Minuten). Bei mir steht diesmal Gyros auf dem „Speiseplan“, Andy beginnt zunächst mit Nudeltopf, geht dann zur Balkanpfanne über. Die Wettervorhersage in den 21:00 Uhr-Nachrichten ist relativ vielversprechend; es soll zwar nachts kalt, aber am Tage wärmer werden mit nur vereinzelten Schauern in Mecklenburg-Vorpommern. Am Himmel zeigt sich jetzt keine einzige Wolke mehr! 22:10 Uhr wird „Zeltruhe“ notiert, nach langem Geräume. Meine Luftmatratze (neu??) ist diesmal erstaunlich schnell aufgeblasen; ein Lungeninhalt reicht für eine Kammer. Wir liegen für heute genau im Plan, wenige Km hinter Dömitz, aber noch südwärts der Elbe, weil hier der uns bis dato unbekannte Radwanderweg Hamburg-Schnackenburg verläuft (bislang meist sehr gut befestigt), den wir auf keinen Fall verlassen wollen.


Fahrstrecke 86 km

Nettofahrzeit 5:10 Std.

Geschwindigkeit 16,6 km/h

Gesamtstrecke 86 km


Montag, 2.Tag

Eisige Kälte im Schlafsack - ich wache irgendwann morgens früh auf und drehe mich von da an nur noch hin und her und schlafe jeweils nur für kurze Zeit wieder ein. Und als ich mich dann aufraffe, ist es doch bereits 07:50 Uhr! Andy ist auch wach, das Packen beginnt. Die Außenzelte sind innen sehr naß. Vor dem Frühstück (Scorpa mit Schinken bzw. Käse) werden die Zelte in die Sonne verlagert, wo es jetzt bereits angenehm warm ist. Nachdem alle Lagertätigkeiten in Ruhe erledigt sind (und Andys Gürtel mit meinem neuen Messer gekürzt wurde), geht es 09:50 bei mittlerweile brüllender Hitze los. Nach wenigen Metern geht es wieder aus dem Wald hinaus auf die Straße mit dem Radweg Hamburg-Schnackenburg längs der Elbe. Nach 5 Minuten wird ein weiterer Holzaussichtsturm direkt am Elbsteilufer mit herrlicher Rundsicht bestiegen. 10:35 Uhr wird das berühmt-berüchtigte kleine Dorf Gorleben durchquert. Hinweisschilder animieren uns, die elegante Radroute vorübergehend zu verlassen und wir biegen nach links Richtung Restorfer See von der Hauptstraße ab. Tatsächlich finden wir hier eine sehr schöne Landschaft mit diversen Wasserflächen vor - wie die Elbufer auch, stark überflutet. Ein voll unter Wasser gesetztes Wegstück können wir nur nach ein einiger Überwindung, mit Anschwung und dem passenden Gang überwinden (etwas nachgeholfen hat sicher die Aussicht, im Falle eines Umkehrens etwa ½ Stunde sinnlos zurückfahren zu müssen). 11:30 Uhr bietet sich - leider viel zu früh - eine schöne Möglichkeit zum Rasten in Restof. Das Gartenrestaurant hat aber leider/zum Glück noch geschlossen, also geht's gleich weiter. Kurz hinter dem Ort verlassen wir auf „blauen Dunst“ wieder die Hauptstraße; der Weg geht aber viel zu weit nach links (Richtung Norden) in einen miserablen Ackerweg über. Vor Pevestorf führen uns zum Glück unerwartet auftauchende Schilder wieder auf die richtige Route entlang des Elbdeiches nach Osten. Rechts des Deiches befindet sich ein urwaldartiges, mehrere Kilometer großes Naturschutzgebiet, da wären wir mit dem Rad'l aber ganz schön „baden gegangen“. 12:00 Uhr veranlassen gewisse Bedürfnisse (denen direkt am Ufer mit Blick auf die Elb-Kähne nachgegangen wird) eine halbstündige Rast auf den Deichwiesen. Bei Erreichen des völlig verschlafenen Ortes Schnackenburg zeigt die Uhr 12:40. Getränke können wir hier nicht fassen; der einzige gesichtete Laden „Gutkauf“ ist seit 12:00 Uhr dicht. Beim „Amtshaus“ von 1734 und dem kleinen Grenzmuseum mit aufgebocktem Ost-Patroullienboot suchen wir Schatten unter den Bäumen. Der von uns hier vermutete Elbübergang existiert nicht (wozu haben wir eigentlich Karten??). 13:05 Uhr geht es also zunächst noch südlich der Elbe weiter. Übergang und Versorgung werden wir dann wohl in Wittenberge vornehmen. Wie zu befürchten war, ist die Wegfindung jetzt - nach Ende der beschilderten Radroute - etwas schwierig. Wir befinden uns im unübersichtlichen ehemaligen Grenzberitt und überqueren hier die Landesgrenze Niedersachsen - Sachsen-Anhalt auf Plattenwegen, die sich in Holprigkeit gegenseitig überbieten. Teiche, überschwemmte Sumpf-Wiesen und endlose Deiche bestimmen hier das Landschaftsbild; hier und da Reste von militärischen Grenzschutzanlagen. Prompt kommen wir vom rechten Weg ab, landen auf matschig-sumpfigen Waldwegen, die uns zu weit nach Norden führen - direkt am überwucherten Elbdeich müssen wir kehrt machen. Nach diesem Umweg und weiteren ent-ner-ven-den Fahrten über Plattenwege erreichen wir 15:00 Uhr Warenberg vor Wittenberge bei glühender Sonne. Hier wird Andys Minox näher untersucht, da diese beim 38. Bild immer noch keine Anstalten macht, das Filmende zu erkennen. Da sich nach einer Umdrehung der Rückspulkurbel nichts mehr tut, wird die Kamera geöffnet. Wie befürchtet, wurde der Film wohl nicht ganz richtig eingelegt und von Anfang an nicht richtig vorgespult. Solche Erlebnisse heben die Laune ungemein! Seit einigen Stunden nerven mich außerdem dumpf dämmernde Kopfschmerzen. Die Elbe wird (endlich) 15:45 Uhr überquert, 15:55 Uhr ein riesiger „E-Neukauf“ in Wittenberge zur Versorgung angesteuert (das übliche Touren-Supermarkt-Sonnenglut-Erlebnis). Hier herrscht irgendwie ein unangenehmes, hektisches Großstadklima. Die Fahrtzeit beträgt bisher 3 Stunden 54 Minuten, 60,3 km wurden mit durchschnittlich 15,4 km/h zurückgelegt. Hier wird der obligatorische Einkauf durchgeführt (Yogurette, Getränke, Saftfleisch, Spaghetti, Bananen) sowie ein Snack eingenommen (Croque, Kaffee). 16:55 Uhr fahren wir hier wieder los. Um 18:20 Uhr gönnen wir uns im „Storchendorf“ Rühstädt im „Rosenhof“ einen Spezi, der allerdings in ziemlich unsauberen Gläsern serviert wird. Das zunächst irrtümlich gereichte Alsterwasser lassen wir zurückgehen. Die sind hier wohl nicht so ganz auf der Höhe. Wir sichten tatsächlich diverse Störche, und auf fast allen Hausdächern befinden sich Nester! Schon 18:35 Uhr rollen wir in glühender Sonne weiter zu dem schon vom Kartenstudium her bekannten Gnevsdorfer Vorfluter, ein kilometerlang parallel zur Elbe geführtes Wasserbecken, dessen eigentlicher Zweck uns nicht ganz klar ist (möglicherweise Hochwasserschutz?). Hier geht es auf Graswegen am Deich bzw. Damm entlang, links von uns dichtes Unterholz. Nichtsdestotrotz ereilt Andy um 19:25 Uhr das Radfahrerschicksal: Der vordere Reifen ist plötzlich platt, ein Dorn hat sich durch die Lauffläche gebohrt. Sofort werden wir von Mückenschwärmen terrorisiert, die erst mal durch Autan gebändigt werden müssen. 19:50 Uhr ist der Schaden durch Einziehen eines neuen Schlauches behoben und wir setzen die Fahrt fort. Hinter Quitzöbel führt uns die Lagersuche durch einen schönen, lichten Kiefernwald, der allerdings zum Nächtigen völlig ungeeignet ist, weil sich hier die Dorfjugend lautstark ein Stelldichein gibt. Um 21:10 Uhr werden wir dann aber doch fündig: Nach Überquerung der Hauptstraße Richtung Havelberg geht es an einem kleinen Teich vorbei in lockeres Wald- und Ackergelände. Nach einigem Herumsuchen finden wir einen ausreichend abseits liegenden Platz in einem lichten Kiefernwald; der grasbewachsene Boden ist wellig und bietet in einer kleinen Mulde guten Sichtschutz. Die Essenzubereitung ist heute irgendwie eine große Sauerei. Nach dem Erhitzen der Erasco-Spaghetti stellt sich heraus, daß die Dose innen mit Kunststoff überzogen ist - prima. 23:00 Uhr sind wir mit allem durch und ich schreibe die letzten Notizen. Zwei extrem laute Schüsse hallen durch den Wald. Aufgrund der gestrigen Kälte liege ich heute mit Jogginghose und Hemd im Schlafsack. Unser angepeiltes Tagessoll haben wir heute nicht ganz erreicht:


Fahrstrecke 93,5 km

Nettofahrzeit 6:26 Std.

Geschwindigkeit 14,5 km/h

Gesamtstrecke 179 km


Dienstag, 3.Tag

Vor 7:00 Uhr starten die Aktivitäten. Ich habe zwar diesmal nicht gefroren, aber unruhig auf der steinharten Luftmatratze geschlafen. Es ist wolkig und die Sonne nicht zu sehen. 7:45 Uhr sitzen wir beim Frühstück, während die Zelte und Schlafsäcke noch auslüften. Gespeist wird Tartar (Andy) bzw. Rostocker Pfeffersaftfleisch mit Skorpas, anschließend Milchreis. Die Sonne hat den Kampf noch nicht gewonnen, aber die Wolkenschicht ist nur sehr dünn. 8:45 marschieren wir los. Trotz einiger Entfernung klingt lautes Tuckern, wahrscheinlich von Elb- bzw. Havelkähnen, zu uns herüber (wurde auch nachts vernommen). Schon nach einer Stunde stehen wir am Dom (12.Jhrhd.) von Havelberg. Bei Eduscho gönnen wir uns Kaffee und Puddingschnecken, obwohl dies den Aufenthalt hier schon wieder beträchtlich ausdehnt. Andy sucht hier auch noch nach einem WC (die Aufzeichnungen verraten nicht, ob dies erfolgreich war). 10:35 Uhr geht's denn weiter. Nach etwa 10 Kilometern legen wir hinter Kuhlhausen eine „Zigarettenpause“ an einer Bank am Dorfteich von 11:25-11:45 Uhr ein. Andy holt ein Eis aus der gegenüberliegenden Schenke. Mittlerweile ist es stichig warm, nur noch sehr dünne Wölkchen zieren den Himmel. Viel „Gezücht“ ist unterwegs, das morgens aufgetragene „Autan“ scheint jetzt verflogen zu sein. Die hier nach Süden abknickende Havel müssen wir mit der Havelfähre Strodehne überqueren. Als wir 12:05 hier eintreffen, ist die mit Seilzügen betriebene Fähre jedoch gerade auf der anderen Uferseite, so daß wieder eine kurze Zwangspause anliegt. Die nächste Etappe, wieder etwa 10 km, läßt uns gegen 12:45 Uhr Rhinow erreichen. Der Lebensmittelkonsum vorheriger Touren soll zwar vermieden werden, aber eine Gönnung muß sein: ein Café am Dorfplatz lädt zu Kaffee (je 2 Tassen) und Kuchen (Erdbeer, Schnecken) ein. 13:25 Uhr wird wieder „angefahren“. Hinter dem Ort wird bei Minol der Reifendruck überprüft und ein Sonnenbrand auf den Oberschenkeln diagnostiziert. Das Häuseransammlung Bartschendorf passieren wir 14:35 Uhr. Hier sichten wir auf den Betonfahrspuren einen kleinen, schwerverletzten und schon sehr geschwächten Vogel, den wir mit einiger Mühe an den Straßenrand verbringen, um ihn wenigstens noch vor dem nächsten Trecker zu bewahren. Bussarde kreisen über den Feldern. Gegen 14:55 Uhr wird der Rhinkanal überquert, um ihm auf der anderen Seite weiter zu folgen. Eine halbe Stunde später wird (wieder einmal) eine Rast an der „Kreuzung“ Rhinkanal/Bundesstraße 5 eingelegt. Eine Schulklasse belagert geraume Zeit die Imbißbude, so daß es etwas dauert, bis wir zu unseren „Pommes“ bzw. Nogger-Eis kommen. Hinter uns liegen anstrengend zu fahrende sandige Wege, vorbei an völlig abgelegenen Häusern, so daß wir uns die Pause bis 16:00 Uhr wohl auch verdient haben! Weiter geht's eine Bahnstrecke unterquerend immer direkt am Rhinkanal auf Wegen unterschiedlicher Qualität, meist eher holprig. In hoher Geschwindigkeit rasen wir jetzt über Plattenwege. Meine Beine bewegen wie automatisch völlig ohne Krafteinsatz die Tretkurbeln, plötzlich keine Spur von Anstrengung mehr. Solche Phasen müssen ausgenutzt werden. Nur die Sonne knallt unbarmherzig; nur gelegentlich durch ein Lüftchen gemildert. 17:00 Uhr rollen wir durch Lentzke, den letzten Ort vor Ferbellin, das wir also noch rechtzeitig vor Geschäftsschluß erreichen werden. 10 Minuten Pause und weiter. Schon 17:25 Uhr sind wir dann in Ferbellin. Quelle, Otto, Fotogeschäft, AOK, Getränkemarkt, Versicherung, Sonnenstudio & Kneipe - alles da, nur kein Supermarkt. Bei glühender Sonne kurven wir wie die Blöden im Ort umher und fragen schließlich genervt bei einer Einwohnerin nach. Nach kurzem Nachdenken (ein Supermarkt sucht man ja schließlich nur selten auf...): ja, es gibt einen Supermarkt (Plus), im Neubauviertel. Hier wird sich versorgt und ich rufe Tina an (natürlich, der neu erworbenen Telefonkarte zum Trotz, handelt es sich um ein Münzapparat). Der Autoverkehr läßt Erinnerungen an die Hamburger Innenstadt zur Rush-Hour aufkommen. Zur letzten großen Etappe brechen wir 18:45 Uhr auf Richtung Neuruppin, wo wir uns in ein größeres Waldgebiet schlagen wollen. Dort kommen wir 19:20 Uhr nach einer „Meilenfahrt“ an, es wurden Geschwindigkeiten bis zu 35 km/h angezeigt. Wir passieren gleich hinter dem langgestreckten Ort zur linken einen (ehemaligen) mit grasbewachsenen Bunkern bestandenen Militär-Flughafen. Zur rechten warnt ein Schild „Betreten verboten - Lebensgefahr“ - von diesen verseuchten NVA-Übungsgebieten der Kyritz-Neuruppiner Heide werden wir uns wohl noch ein bißchen entfernen müssen. Die Schilder begleiten uns bis nach 20:30 Uhr, wir müssen immer weiter fahren und sind schon leicht genervt. Das heutige Soll haben wir schon weit überschritten, also wir von der Hauptstraße nach rechts in eine Nebenstraße Richtung Waldmuseum Stendenitz/Zermützel abbiegen. Die Lagersuche gestaltet sich im mittlerweile hügelig-abschüssigen Gelände beim Tietezensee und Zermützelsee ebenfalls schwierig und nimmt eine halbe Stunde in Anspruch, ehe wir 21:15 Uhr fündig werden: Ein kleiner „Talkessel“, mit hohen(!) Laubbäumen, ringsherum durch Mischwald bestens geschützt, scheint uns jetzt der geeignete Platz zu sein. Der dichte Bodenbewuchs wird nur durch einige laubbedeckte Flächen durchbrochen - hier werden die Zelte, mittlerweile bei Dunkelheit, aufgebaut. Den Einsatz des Esbitkochers erspare ich mir diesmal (Andy erwärmt italienische Nudelpfanne), statt dessen vernichte ich Skorpa mit Pfeffersaftschinken und Frühstücksschinken, anschließend Apfelmuß. Die Kalorienbilanz des Tages und Abends wird außerdem wie immer durch eine Yogurette belastet. In dem dichten Waldkessel knackt und raschelt es schon, als wir noch vor den Zelten stehen. Heute ist wohl allein schon wegen des mit kleinen Ästen übersäten Raschel-Bodens mit Tiergeräuschen zu rechnen. Neuruppin haben wir immerhin schon rund 10 km hinter uns gelassen und liegen damit etwas besser als geplant. Die „Zeltruhe“ kehrt gegen 23:00 Uhr ein.


Fahrstrecke 105,8 km

Nettofahrzeit 7:12 Std.

Geschwindigkeit 14,6 km/h

Gesamtstrecke 285 km


Mittwoch, 4.Tag

Um 06:00 Uhr wache ich erstmalig auf (?), vernehme (wie prognostiziert) lautes Tiergeraschel. Schlafe wieder ein bis 06:50 Uhr. Weitere 20 Minuten später geht das allmorgendliche Gewühle los. Ich habe diesmal gut geschlafen, da die Luftmatratze nicht zu hart aufgepumpt ist und sehr eben liegt; auch die Temperatur war angenehm. Der Himmel begrüßt uns blau, aber aufgrund der uns umstehenden hohen Bäume dringen die Sonnenstrahlen zunächst nur spärlich zu uns vor. Es herrscht schwerer Mückenterror, der nur mit Autan zu ertragen ist. Die Zelte werden zur Trocknung drapiert, die Wartezeit für unvermeidliche Angelegenheiten genutzt. 09:40 Uhr brechen wir auf, die Räder zunächst durch den wunderschönen Talkessel und Wald schiebend; trotz der etwas widrigen Bedingungen des gestrigen Abends haben wir hier wieder einen phantastischen Schlafplatz gehabt! Bereits 10:10 Uhr wird „brutale Wärme“ verzeichnet. Wir fahren entlang an den bewaldeten, schattigen Ufern und Wasserarmen des Zermützel- und Tornow-Sees (?), wo lautlos ein Boot der Umweltprüfstelle entlanggleitet. Erinnerungen an den Ramsauer Hintersee kommen auf, nur die Berge fehlen hier (aber immerhin ist es stark hügelig). 10:20 Uhr erreichen wir die vielfach ausgezeichnete und angekündigte Boltenmühle. Aufgrund der schönen Lage von uns zunächst für ein ehemaliges Ausflugslokal gehalten, ist die Mühle nur noch eine ausgebrannte Ruine, vor deren Betreten bereits mehrere Jahre alte Schilder warnen. Das hält uns natürlich nicht davon ab, hier weitere „Nachforschungen“ anzustellen. Offensichtlich ist das hier gar kein Lokal, sondern eine Fabrik gewesen, deren Ursprung auf die 30er Jahre zurückgeht und die dann zu „DDR“-Zeiten im üblichen geschmacklosen Stil mit Papp-Baracken und wellblechüberdachten Fabrikhallen erweitert wurde. Weiter geht's schließlich, gebirgigen Schluchten mit rauschenden Bächen folgend, auf kernigen Wegen leicht bergab, bis wir an der Mündung des Baches wiederum an einen Weiher, den sog. Kalksee, gelangen: Das extrem klare Wasser, der saubere Sand, das niedrige, gut zugängliche grasige Ufer mit Kleiderhaken in Form überhängender Äste lassen nur einen Schluß zu: Hier muß ein reinigendes, erfrischendes Bad genommen werden. Schade nur, daß wir schon an der Boltenmühle so viel Zeit vertrödelt haben, aber egal: diese Gelegenheit lassen wir nicht ungenutzt. Ruck Zuck raus aus den Klamotten, und mit Bio-Seife rein ins (zugegebenermaßen etwas kalte) Wasser. Andy folgt wenig später. Auch diese Ergötzung geht zu Ende, und erfrischt wird 11:40 Uhr aufgesattelt. Nur wenige Meter weiter passieren wir eine „offizielle“ Badestelle, die wir dann auch in der Karte verzeichnet finden. Nach 12:30 Uhr wird Rheinsberg erreicht. Dort inspizieren wir zunächst den beeindruckenden Schloßgarten, anschließend nehmen wir vor einem Tchibo-Café Platz. Obwohl die Hitze selbst unter dem Sonnenschirm bestialisch ist (mein Gesicht glüht), genehmigen wir uns je 2 Kaffee mit Erdbeer- und Käsekuchen, ich obendrein noch einen Apfelstrudel. Nach diversen Fotos und Filmwechsel geht es auf zunächst wenig befahrener Straße vorbei an der Waldschänke (hier enden die Radwege) aus dem Ort hinaus, dann nach links auf Pflasterwegen in das Naturschutzgebiet Stechlin hinein. Weiter über Fischerhaus Stechlin am Großen Stechlinsee nach Neuglobsow, 15:15 Uhr. Über die Hälfte der Strecke nach Fürstenberg ist jetzt bewältigt, größtenteils auf schattigen Waldwegen durch schönste Natur (wiederum leistete „Autan“ gute Dienste; sobald man anhält, umschwirrt einen das Gezücht). An diesem herrlichen kleinen Urlaubsort besetzen wir unweit eines ehemaligen Konsum-Markts eine Bank und versorgen uns dort mehrfach mit Cola-Eis. Nach einer dreiviertel Stunde quälen wir uns wieder auf den Sattel, durchqueren abermals Wälder und passieren 16:30 Uhr den Aussichtspunkt Augustenblick oberhalb des Peetschsees, ca. 2 km vor Fürstenberg. In der Nähe der Gedenkstätte Ravensbrück begutachten wir einen russischen T34-Panzer, der hier zum Gedenken an den „großen Befreiungskrieg“ aufgebockt wurde. Den Bahntunnel Fürstenberg unterqueren wir (? - laut Aufzeichnung) 17:05 Uhr und setzen unseren Weg zügig über Asphaltwege fort nach Altthymen (große Kirche mit instandgesetztem Turm, aber Kirchenschiff ohne Dach), dann über bucklige Sandwege nach Godendorf, 18:30 Uhr. Nächste Station ist um 19:10 Uhr das Örtchen Wokuhl. Eine gelbe Telefonzelle auf einer eingezäunten Wiese stufen wir wegen Nichterreichbarkeit als Museumsstück ein; auch die erhoffte Jausenstation wird nicht vorgefunden. Da wir uns aber für den heutigen vorletzten Tag unbedingt eine gemütliche Brotzeit in den Kopf gesetzt haben, radeln wir nach kurzer Rast weiter bis Fürstensee (und nähern uns bereits den Gefilden von Neustrelitz - die Lagersuche wird damit langsam dringend, auch wegen der fortgeschrittenen Uhrzeit von 19:45 Uhr). Im Restaurant „Zur goldenen Wiege“, dessen Terrasse fast vollständig von der Dorfjugend bevölkert wird, ordern wir Radeberger und Bauernfrühstück. Die ganze Zeit dröhnt stakkatoartig Techno-Musik aus den Türlautsprechern der vor der Schenke geparkten Autos, kurze Zeit ist dies belustigend, auf Dauer aber leicht nervend. Während das erste Bier (!) dieser Tour erwartungsgemäß mundet, ist das Bauernfrühstück eine einzige Frechheit - durchsetzt mit undefinierbaren „Fleisch“stücken und kaum genießbar. 20:50 Uhr, als die Sonne am Horizont versinkt, brechen wir auf. Kurz hinter dem Ort biegen wir nach rechts in den Wald, und finden nach wenigen 100m auf der linken Seite des Weges unseren letzten Lagerplatz um 21:05 Uhr. Trotz oder gerade wegen des zurückliegenden Essens in der Dorfschenke erwärme ich noch mein verbliebenes Pilz-Ragout; mit kleinen Holzteilen und Papierresten wird für einige Minuten ein winziges Feuerchen gezündet. Nachdem das Zelt noch einmal verlagert wurde, ist um 23:00 Uhr Zeltruhe.


Fahrstrecke 70,0 km

Nettofahrzeit 5:35 Std.

Geschwindigkeit 12,5 km/h

Gesamtstrecke 355 km


Donnerstag, 4. und letzter Tag

Der heutige Schlaf war nicht ganz so gut (sollte sich das Bier gerächt haben?), durchsetzt mit Wachphasen um 01:00 und 06:00 Uhr. ½8 Uhr schließlich weckt Andy mich durch Zurufe. Eine gute Stunde später setze ich mich - bereits durch die Wärme und das Herumgepacke angegriffen - zum „Frühstück“ nieder. Der Himmel strahlt blau, von keiner Wolke getrübt. Auch bei der Auswahl dieses letzten Übernachtungsplatzes haben wir wieder einen guten Riecher gehabt. Nach den üblichen Erledigungen marschieren wir hier 09:30 Uhr (die Ruhe des letzten Tages...) ab, rollen nach kurzer Zeit auf einer breiten Landstraße. Nach acht Minuten zwingt uns - gerade erst mühsam in Schwung gekommen - plötzlich lauter werdendes Geklöter meines hinteren Reifens zu einem Stop am Straßenrand. Eine Speiche ist gerissen, die Felge (vor der Tour bei Fahrrad-Wulff zentriert...) bereits arg vereiert!! Nun kommen also doch einmal die am Rad befestigten Ersatzspeichen zum Einsatz. Zunächst muß die (idiotische) große Plastikscheibe hinter den Zahnkränzen in kleine Teile zerbrochen, zersägt und entfernt werden, damit der Flansch zugänglich wird. Die neue Speiche kann nur unter grotesker Verbiegung eingezogen werden; nach dem Spannen nimmt die Felge zum Glück wieder eine vernünftige Form an. 25 Minuten dauert das ganze Spektakel, die Sonne glüht schon vom Himmel, zwischendurch passieren uns die ersten „Männertags“-Ausflügler, bis es 10:10 Uhr endlich weiter gehen kann. Die nächste Notiz entsteht bei einer Rast im schönen Walde bei Prälank von 11:25-11:35 Uhr. Zuvor wurde Neustrelitz ohne größeren Aufenthalt, dafür mit kleineren Verirrungen beim Verlassen des Ortes, durchquert, einige Prunkbauten im Bilde festgehalten (eine Kirche kam uns total englisch vor). Sandige Waldwege, kleinere Fahrstraßen und nur ab und zu kleinere Ortschaften prägen den folgenden Weg. Über schlaglochige Wege geht's vorbei am Käbelicksee, der zuletzt von einem langen Campingplatz gesäumt wird, nach Kratzeburg, um 12:40 Uhr bei Km-Stand 28,6 nach 2 Stunden und 7 Minuten Fahrzeit bei einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 13,4 km/h. 13:15 Uhr raffen wir uns hier auf, um nach einer weiteren quälenden Schlaglochstrecke durch schlimmste Tannenmonokultur 13:55 Uhr erneut eine 20-minütige Rast kurz hinter dem Kaff Klockow einzulegen. Die letzte lange Etappe nach Waren wird nur von Kargow-Unterdorf unterbrochen; hier hinterlassen unsere Reifen Spuren in dem von der Sonne aufgeweichten Straßenbelag! Zeitgerecht erreichen wir Waren, den Endpunkt dieser Tour, um 15:30 Uhr.


Fahrstrecke 53,3 km

Nettofahrzeit 3:51 Std.

Geschwindigkeit 13,8 km/h

Gesamtstrecke 408 km


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Du bist Leser Nummer seit dem 26. April 1998

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