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In einer Woche zum Nordkap und zurück mit dem Motorrad 1997
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Vorbereitungen:
Entstanden ist die Idee in der Firma. Wir (Sven und Martin) wollen einen Kurztrip machen. Nur mal so einen eingeschobenen Urlaub. Mit vier Urlaubstagen und einem Gleittag war die Woche dann komplett. d.h. von Freitag mittag dem 13.6.97 bis zum Sonntag, dem 22.6.97 hatten wir somit 9 1/2 Tage Zeit. In möglichst kurzer Zeit wollten wir mit den Motorrädern zum Nordkap. Dann wollten wir dem Kap Knisvkjellodden einen Besuch abstatten und anschließend ganz gemütlich wieder gen Heimat bummeln. Geplant wurde die Tour nicht großartig. Am 13.06.1997 soll es losgehen. Ca. 2.900 km mit dem Motorrad von Hamburg bis zum nördlichsten Punkt Europas. Unterwegs ist Sven mit seiner Honda XBR 500 S und Martin mit seiner erst kürzlich erworbenen BMW 850 R.



Links: Martin und seine BMW R 850 R, rechts: Sven und seine Honda XBR 500 S


Im Rahmen der Vorbereitungen haben wir uns die fixe Idee in den Kopf gesetzt, wie nett es wäre, während der Fahrt per Funk kommunizieren zu können. Da professionelle Anlagen bis zu 400,-- DM kosten können (pro Gerät, macht bei zwei Motorrädern also 800,-- DM) und uns das leider viel zu teuer ist, sind wir seit geraumer Zeit dabei und versuchen aus herkömmlichen (Kinder-) Funken durch Anlöten von Kopfhörer und Mikrofon uns etwas Behelfsmäßiges (wesentlich billigeres) zu basteln. Nachdem es nach ersten Bastelversuchen recht vielversprechende Ergebnisse gab, mußten wir einen herben Rückschlag hinnehmen, als eine Reihe der vom Hersteller gelöteten Verbindungen zu bruch gingen. Im Moment stecken in dem Projekt ca. 150,-- DM Bargeld und etwa 7 Stunden Arbeitszeit von zwei Leuten. Die Funkgeräte befinden sich wieder im Originalzustand. Weitere Bastelversuche stehen uns aber noch bevor.



Wir basteln an den Funken...


Nachdem wir in einer weiteren Sitzung nochmal von vorne angefangen sind, haben wir dann doch ein richtiges Teststadium erreicht. D.h. wir sind tatsächlich mit unseren beiden Spielzeugfunken, umgerüstet mit Kopfhörer und Helmmikrofonen, auf die Landstraße gegangen. Das Ergebnis war wie erwartet recht ernüchternd. Eine vernünftige Kommunikation jenseits der 60-70 Km/h bzw. über einer Entfernung von 20m (wie war das noch mit dem Sicherheitsabstand ?) war kaum möglich. Dennoch sind wir beide der Meinung, das die Funkgeräte auf jeden Fall für unsere Zwecke ausreichen. Sie sollen nämlich nicht für ein nettes Pläuschen während der Fahrt herhalten, sondern lediglich der Klärung der nötigsten Dinge wie z.B. "wo gehts denn jetzt weiter", "ich muß mal p...", "ich muß Tanken", "ich hab Hunger" "du stinkst" etc. während der Fahrt dienen.

Einzig eine Ausrüstungs- und Einkaufsliste wurden aufgestellt und wir hatten uns die fixe Idee in den Kopf gesetzt unterwegs per Funk zu kommunizieren. Was daraus geworden ist und was wir sonst noch erlebt haben könnt Ihr anhand unseres Tagebuchs nachlesen.



Martin packt sein Mopped...




Tagebuch:

Freitag, 13.6.97
Wir fahren heute beide mit bepackten Motorrädern zur Arbeit. Andere Kollegen wetten schon, ob wir die Tour zum Nordkap in einer Woche schaffen oder nicht. Gegen 13 Uhr machen wir Schicht, ziehen uns um und los geht es. Das Umziehen gestaltet sich nicht ganz so heimlich, wie wir uns das vorgestellt haben, denn die Kollegen sind äußerst neugierig und wollen sich noch von uns verabschieden. Nachdem das Wetter vormittags stabil war, sieht es nun gar nicht mehr ganz so gut aus, aber es ist vorerst trocken.



Gleich geht es los...


Wir müssen noch Brot kaufen. Leider finden wir irgendwie keinen Aldi, unseren bevorzugten Feinschmeckerladen ;-). Noch in Hamburg beginnt es kräftig zu regnen. Wir kaufen ein überteuertes Brot bei einem Bäcker, warten noch ein Weilchen und ziehen uns dann regenfest an und fahren los. Sven zieht zwei Plastiktüten über die Hände anstatt Regenhandschuhe.

Kaum 10 Minuten später und 2 Kilometer gefahren hört es auf zu regnen, die Straßen sind trocken. Bei Svens Versuch während der Fahrt die Tüten von den Händen zu entfernen flattert die eine Tüte davon.

Das Wetter sieht nun wieder recht freundlich aus. Um 15 Uhr kaufen wir in Oldenburg in einem Supermarkt noch mehr Brot und zwei Eis am Stiel.

Wir erwischen in Puttgarden die 16-Uhr-Fähre nach Rødbyhavn. Die Hin- und Rückfahrtickets kosten pro Motorrad (incl. aller Insassen) 120,-- DM.

Da Svens Tankrucksack auf der Fahrt hierher ständig verrutscht ist, wird er nun vernünftig fest gemacht. Sven muß noch ein neues Loch in den Befestigungsriemen stechen.

In Dänemark sieht das Wetter erst ganz passabel aus, doch dann gibt es plötzlich einen fürchterlichen Platzregen. Zum Glück haben wir die Regenkombis aber an.

Dann wird das Wetter wieder zusehends besser. Die Fahrt durch Dänemark ist langweilig, aber um 19:30 Uhr kommen wir in Helsingør an.

Wir erwischen auch gleich eine Fähre, rüber gehts nach Schweden.



Fährüberfahrt nach Helsingborg


Beim Abbocken der XBR verschrammt Sven den Fußboden der Fähre, da der Ständer erst umklappt, als die erste Schweißnaht erreicht wird.

Am ersten Tankstopp in Schweden wird Martin von einem anderen (schwedischen) BMW-Fahrer angesprochen. Dieser wundert sich, daß Martin mit einem Honda-Fahrer (Sven) zusammen unterwegs ist. Er selbst ist allerdings mit einem Yamaha-Fahrer (seiner Frau) zusammen unterwegs.

Kurz vor Ljungby beginnt es wieder zu regnen. Da wir beide hungrig sind, stellen wir uns an einer Tankstelle unter ein Vordach und schmieren uns Brote.



"Gemütliche" Brotzeit im Regen


Wir fahren dann noch bis gegen 23:30 Uhr. Es ist wieder trocken. Es sieht so aus, als wenn wir wieder auf eine Regenfront zufahren deshalb suchen wir uns im Wald eine Stelle, wo wir zelten können. 550 km liegen hinter uns. Wir haben Schwierigkeiten unsere Motorräder auf dem weichen Boden aufzubocken. Letztendlich lehnen wir sie dann mit den Koffern gegen einen Baum. Das hat den Nachteil, daß man an einen Koffer kaum noch rankommt.

Samstag, 14.6.97
Der Wecker klingelt um 5:08 Uhr. Wir stehen dann um 5:50 Uhr auf.



Unser erster wilder Zeltplatz in Südschweden


Zusammenpacken, losfahren. Sven vergißt Martins Regenschuhe ganz unten in dem großen Ortlieb-Sack in dem das Zelt und die Isomatten verpackt sind. Hoffentlich geht das gut... Außerdem ist Martin etwas angeekelt nachdem er merkt, daß Sven seinen Regenkombi in ein Spinnenschimmelnest geworfen hat.

Hinter Jönköping geraten wir in eine Art Radrennen Es handelt sich wohl um das alljährliche Rennen um den Vättern-See, das über 200 km lang ist. Es sind wohl Tausende Fahrradfahrer die daran teilnehmen, jedenfalls überholen wir über eine Strecke von mehr als 100 km ständig Radfahrer. Manchmal vereinzelte, oft aber ganze Pulks. Erst ist es ganz interessant neben den ganzen Radfahrern herzufahren, doch irgendwann wird es nervig und anstrengend.

Das Wetter verschlechtert sich, leichter Regen. Kurz vor Örebro starten wir noch einen erfolglosen Tankversuch, leider gibt es an dieser Tankstelle nur Tankautomaten. Wir nutzen das Dach der Tankstelle aber um ein gemütliches Frühstück mit heißem Kaffee/Cappuccino zuzubereiten. Es regnet immer noch. Martins Regenschuhe werden nun doch aus der Gepäckrolle herausgeholt.

Nach drei Kilometern Fahrt ist Martins Tank leer. Der vorsorglich mitgenommene Reservekanister wird eingefüllt. Martin ist etwas zerknirscht über die geringe Reichweite seiner neuen BMW. Gerade mal 325 km hat die Tankfüllung gereicht. Nach 800 Metern Fahrt erreichen wir dann eine geöffnete Tankstelle und tanken.

Weiterfahrt gen Norden. Der Regen wird stärker. Regen, Regen, Regen. Kurze Erholungspause hinter Ludvika im Regen. Danach regnet es noch doller. Ungefähr 50 km vor Morå läßt der Regen dann etwas nach, wir geben uns der Hoffnung hin, daß wir das Regengebiet nun hinter uns gebracht haben.



Gerade regnet es mal nicht!


Es sind immer noch schwere dicke Wolken am Himmel, aber es regnet nicht mehr. Wir tanken in Orsa. An der Tankstelle sehen wir ein für Deutsche merkwürdig anmutendes Plakat.



Was ist denn ein Ficktelefon?


Bei der Weiterfahrt beginnt es wieder zu regnen, der Regen wird stärker und stärker, es gießt.

Wir haben allmählich alle Hemmungen abgelegt und fahren 120 km/h und mehr. Allerdings sind oft auch 110 km/h erlaubt. Die Straßen sind hier schon recht leer, wir sind in Mittelschweden.

In Sveg fahren wir auf einen Supermarktparkplatz. Eine unachtsame Hausfrau rammt Sven, als sie mit ihrem Volvo aus der Parklücke fährt. Sie trifft ihm am rechten Seitenkoffer, das Motorrad wird leicht versetzt, aber sonst passiert nichts. Der Gepäckträger ist minimal verbogen, aber evtl. war das auch schon vorher. Bei der Frau allerdings sind vorne die Zusatzscheinwerfer zerbrochen, aber das ist nicht unser Problem.

Wir kaufen Milch für unser Müsli, allerdings bekommen wir kein Klebeband um Martins leicht undichten Regenkombi zu flicken. Wahrscheinlich waren wir aber auch nur zu faul zum Suchen.

Wir fahren weiter bei Dauerregen. Martins Lederhose ist mittlerweile durchgenässt. In Åsarna zwischen Sveg und vor Östersund haben wir die Nase voll und entschließen uns eine Hütte zu mieten.

Wir folgen einem kleinen selbstgebastelten Schild in den Wald und landen vor einem Haus. Ein etwas lodderig aussehender Opa öffnet uns, zeigt uns die Minihütte. Sie ist einfach ausgestattet, einen Wasserhahn gibt es vor der Hütte, ein Plumpsklo etwas weiter unten im Wald. Sie kostet 150 Skr., das sind gut 30,-- DM. Wir schlagen zu.

Die Hütte ist so klein, daß wir einen Teil unseres Gepäcks nicht mit reinholen können, sondern draußen im Regen stehen lassen müssen.

Beim Ausziehen seiner neuen Handschuhe stellt Martin fest, daß diese wohl ein wenig färben. Komischerweise aber nur der linke Handschuh. Seine linke Hand ist ganzflächig blauschwarz. Sämtliche Reinigungsversuche bleiben erfolglos.



Links: Unsere kleine Hütte, Rechts: Färben Martins Handschuhe etwa?


Sven versust bei der ersten Benutzung des einzigen Wasserhahns auf dem Hof den Amaturenknopf. Trotz ausgiebigem Suchen findet er ihn nicht wieder.

Der Elektroofen in der Hütte läuft die ganze Nacht. Martin stellt nämlich beim Auspacken seiner LOUIS Rolle fest, daß diese wohl nicht ganz dicht gehalten hat. Ein Großteil seiner T-Shirts, Unterhosen und Socken ist saftig durchnäßt. Alles wird ausgebreitet und getrocknet. Die Regenkombis hängen draußen unter einem Dachvorsprung. Svens Regenkombi macht sich nachts selbständig und gibt der Schwerkraft nach, er fällt in den Dreck.

Es gibt erstmal ein ordentliches Abendbrot mit Tütennudeln, Ananas und Knuspermüsli. Getrunken werden die leckeren Vitamin-Brausetabletten von Aldi.

Vor dem Schlafengehen hängt Martin dann mit Hilfe eines Besens seine nasse Lederhose über den Ofen mit der Aufschrift "Do not cover". Na hoffentlich fängt die kein Feuer.

Draußen regnet es immer noch sehr stark. Wir sind beide müde und kaputt und hoffen auf besseres Wetter. Wir sind ein wenig enttäuscht, da wir bei diesen Bedingungen nicht die gewünschte Kilometerzahl schaffen. Anstatt der 1.000 angepeilten Kilometer haben wir heute lediglich 750 km geschafft.

Gegen 22:00 Uhr ist Schlafenszeit.

Sonntag, 15.6.97
Der Wecker klingelt wie immer um 05:08 Uhr. Martin hat leichte Kopfschmerzen, weil die Heizung die ganze Nacht lief und kein Fenster auf war.

Es regnet nicht, dennoch ist der Himmel ziemlich grau. Die Laune ist schon viel besser. Hauptsache das Wetter hält sich, so daß wir ordentlich Kilometer fressen können.

Sven muß vor dem Frühstück schon fleißig sein, denn seine Honda will gewartet werden. Ölkontrollieren, Kette sprayen, Kette nachgespannt. Da Martin die "wartungsfreie" Kuh (BMW) fährt, ist er für das Frühstück zuständig.

Zum Frühstück gibt es Müsli, Cappuccino und Brot. Die Natur fordert Ihr Recht. Sven verschmäht den von Martin so angepriesenen Donnerbalken und zieht sich lieber in ein lichtes Wäldchen (mitten auf eine kaum befahrene Bahnlinie) mit Seeblick zurück.

Wir stellen fest, daß das Packen bei einer Hütte wesentlich länger dauert als beim Zelten. Das Problem ist, man packt einfach viel mehr aus.

Beim Zusammensuchen unserer Sachen stellen wir fest, daß die Regenkombis nicht ganz so trocken hingen, also ist Handtrocknung mit Klopapier angesagt.

Der gestern vermißte Amaturenknopf vom Wasserhahn findet sich zu guter Letzt dann auch noch wieder ein.

Gegen 08:20 Uhr kommen wir dann endlich los, sind nun aber auch gestärkt und ausgeruht. Als mindestes Ziel setzen wir uns heute den Polarkreis, aber lieber noch ein bißchen weiter. Leider fängt es schon wieder an zu nieseln.

Der Regen wird stärker. Wir packen uns noch regenmäßiger ein, auch Martin probiert es heute mal mit den "Regenhandschuhen". Die ersten Tüten, die wir als Regenhandschuhe vorgesehen hatten, waren dermaßen glatt, daß uns ständig der Gasgriff durch die Finger glitt. Es müssen die raren aber qualitativ guten HaMü Tüten (unseres gemeinsamen Brötchengebers) herhalten. Das geht gleich viel besser.

Die erste Tankstelle, die wir anlaufen, hat noch zu. Wir riskieren es und fahren weiter zur nächsten Tankstelle. Wir fahren Richtung Östersund. Rechte Hand (Osten) sieht das Wetter heller aus. Ab Östersund fahren wir verstärkt Richtung Osten und hoffen somit, daß wir dann in eine bessere Wetterregion kommen. Kurz vor Östersund haben wir einen wunderbaren Ausblick auf einen See und die dahinterliegenden weiten Nadelwälder dieser Region.

Martin fliegt während der weiteren Fahrt ein Vogel ins Motorrad. Blutspritzer und Federn sind vereinzelt auf dem Tank, am Regenkombi und an seinem Tankrucksack zu sehen.



Spuren eines armen Vogels :-(


Wir erreichen die Tankstelle in Brunflo problemlos. Martin reinigt seine Kuh erst einmal von den Überresten des Vogels. Beim Bezahlen entdeckt er noch Klebeband, welches er kurzentschlossen wegen der Reparatur seines Regenkombis kauft. Er berappt dafür stolze 35,-- SK, um anschließend festzustellen, daß es für seine Zwecke völlig ungeeignet ist.

Um 11:00 Uhr sind wir kurz hinter Strömsund, es wird erst mal ein kurzes Päuschen eingelegt. Obwohl Martins Klamotten noch recht trocken sind, zeichnet sich ab, daß das Klebeband wirklich völlig ungeeignet ist. Die aufgeklebten Streifen haben sich alle komplett wieder gelöst.

Es wechseln sich mittlerweile regelmäßig trockene und nasse Phasen ab. Damit können wir leben und hoffen, daß es weiterhin so bleibt.

Bei der weiteren Fahrt muß Martin dann mit einer Situation Bekanntschaft machen, an die wir uns beide im Laufe der Tour noch gewöhnen sollten. Ein entgegenkommender LKW beförderte den kompletten Inhalt einer riesigen Pfütze auf seine Fahrbahn. Obwohl er es eigentlich rechtzeitig gesehen hatte und darauf vorbereitet war, war der Schrecken doch ziemlich groß. Es ist eben was anderes, ob nun kontinuierlich eine kleine Menge Regen auf dein Visier plätschert oder ein kompletter Wasserschwall gegen dein Visier knallt und dich für einige Sekunden blind macht.

Kurz vor Storuman ist es dann mal wieder so weit. Die Kuh ist alle. Kein Tropfen Benzin mehr im Tank. Und das schon nach 300 Kilometern. Martin fragt sich langsam, ob da noch alles in Ordnung ist. Allerdings muß man auch sagen, daß wir kontinuierlich hohe Geschwindigkeiten fahren und das Wetter steigert mit Sicherheit auch den Verbrauch. Es regnet nämlich mittlerweile wieder ohne Unterlaß. Wir sind recht froh, daß wir den Reservekanister dabei haben, denn nach 5 Minuten brausen wir bereits weiter.

Es regnet und regnet und regnet!

In Storuman angelangt wird zunächst mal getankt. Anschließend begeben wir uns noch zu einem Köpmann, um unseren Tütenvorrat aufzufrischen. Zum einen brauchen wir "Regenhandschuhe", zum anderel probiert Martin jetzt mal, seinen Regenkombi mit Hilfe großer Müllbeutel, in die er Kopf und Armlöcher reinschneidet, dicht zu bekommen. Praktischerweise haben diese großen Müllbeutel Henkel in die Martin dann noch mit seinen Beinen reinschlüpft. Macht einen recht kompakten Eindruck die ganze Sache. Sven amüsiert sich köstlich bei dem Anblick.



Modernste Regenbekleidung! :-)


Aber auch Sven ist nicht ganz dicht. Er hat nämlich nasse Füße. Sven versorgt sich mit Tüten vom Obststand, welche er dann hinter der Kasse in einem Aufenthaltsbereich im Laden über trockene Strümpfe zieht, bevor er wieder in seine nassen Stiefel steigt. Martin nutzt die Zeit und ruft erst einmal zu Hause an. Sven auch.

Bevor wir den Laden verlassen, schauen wir uns noch die Wettervorhersagen in den Tageszeitungen an, wenn die stimmen, wird es die nächsten Tage hier noch weiterregnen. Sven schlägt vor nach Norwegen auszuweichen. Martin ist der Umweg zu groß. So fahren wir unsere Route wie geplant weiter.

REGEN REGEN SCH..... !!!!

Von Sorsele aus geht es ostwärts gen Arvidsjaur. Aber es regnet weiterhin. Die Landschaft wird immer interessanter. Die Straßen sind teilweise recht schlecht und haben solche Buckel, daß es uns aus den Sätteln hebt. Außerdem regnet es, oder sagten wir das bereits??

Martins Mülltüte, mit der er sich seit Storuman kleidet, ist übrigens dicht. Das ist der einzige Lichtblick. Wir sind beide ganz schön fertig, denken aber nicht daran aufzugeben.

Rentieren sind wir auch schon begegnet. Insgesamt drei mal, wobei wir zweimal erst etwas davon mitbekommen haben, als sie bereits auf die Straße liefen über die wir gerade mit 120 km/h sausten.

Regen, Regen, Regen. Wir erreichen den Polarkreis. Martin hat das Schild nicht gesehen, Sven wohl auch nur, weil er die Stelle schon kennt. Im Regen werden die obligatorischen Touri-Fotos gemacht. Auf jeden Fall wollen wir noch bis Jokkmokk fahren. Das sind aber auch keine zehn Kilometer mehr.



Am Polarkreis (im Regen natürlich)




In Jokkmokk wird erst einmal getankt, dann telefonieren wir nochmal ausgiebig nach Hause. Wir betrachten nochmal die Landkarte und beschließen, daß wir doch noch ein wenig fahren müssen, wenn wir morgen das Nordkap erreichen wollen. Es ist noch deutlich über 800 km entfernt.

Kurz hinter Jokkmokk hört es doch erstaunlicherweise auf zu regnen. Wir kommen an einem Stausee vorbei. In einem Becken an dem Stausee sind noch fette, feiste Eisschollen zu sehen, die wir fotografieren. Bei der Weiterfahrt bleibt es trocken. Das Wetter wird immer besser, teilweise sind sogar kleine blaue Stellen am Himmel zu erkennen.



Stausee nördlich von Jokkmokk, rechts: Eisschollen


Die Straße ist neu, breit und eben. Wir fliegen geradezu nach Gällivare. Wir beratschlagen nochmal, ob wir nicht vielleicht doch zelten wollen, entscheiden uns aber dafür eine Hütte zu nehmen, weil wir kaum glauben können, daß der Regen wirklich aufgehört hat.

Die Hütte kostet zwar 200 Skr., ist aber auch schöner und größer als die vorige. Außerdem stehen auf dem Platz ein WC und eine Dusche zur Verfügung.



Campingplatz in Gällivare




Wir breiten uns gemütlich in der Hütte aus, kochen Dosengulaschsuppe, Tütennudeln und essen Ananas aus der Dose. Martin trinkt noch Tee mit Rum, Sven, der eigentlich auch noch mittrinken wollte schläft (ohne Zähne zu putzen!) ein. Gegen 23:45 Uhr legt sich Martin dann auch zum Schlafen. Draußen ist es immer noch trocken und taghell.

Montag, 16.6.97
5:08 Uhr, der Wecker klingelt. Blick nach draußen: Sonne! Unglaublich! Das Thermometer zeigt 6° C. Martin steht kurz vor 6 Uhr auf und geht duschen, Sven danach. Die Dusche ist ganz urig, wohl auch als Sauna zu benutzen. Im Ofen brennt schon ein Holzfeuer. Das scheint der Platzwart extra für uns angesteckt zu haben, wir sind offensichtlich die einzigen Gäste.

Frühstück wie üblich. Der Campingplatzwart beginnt den Rasen zu mähen. Der Lärm ist natürlich nicht gerade erbauend, aber was soll es. Die Ehefrau findet das wohl auch nicht so toll und ruft ihren Mann zurecht. Der mäht einfach weiter und ignoriert seine Frau. Sie traut sich erst in ihrem Morgenrock nicht aus dem Haus heraus, als er sie aber zu offensichtlich ignoriert schreit sie immer lauter, bis sie irgendwann zu ihm läuft und ihm ins Ohr schreit. Daraufhin macht er den Rasenmäher aus, steigt in seinen Mercedes-Diesel und tuckert davon. Interessante Szenen einer Ehe, vom Frühstückstisch aus betrachtet. Wir sind aber doch erfreut, daß der Rasenmäher nun ruhig ist.

Sven muß nun doch mal etwas Öl in seine XBR einfüllen. Wir fahren um 9:15 Uhr los. Das Wetter ist traumhaft und es wird auch etwas wärmer. In Kaaresuando überqueren wir die Grenze nach Finnland. Wir stellen fest, daß die Benzinpreise hier doch etwas höher als in Schweden sind. Also fahren wir wieder zurück nach Schweden und tanken dort. Obwohl wir gerade 15° C haben, laufen die Mädels hier recht knapp bekleidet herum. Man kann nicht sagen, daß das gerade unsere Konzentration fördert.

Die Grenze nach Finnland, und auch später die Grenze nach Norwegen scheint nicht besetzt zu sein. Zollabfertigungsgebäude und alles sind zwar da, sie wirken aber recht verlassen. In Finnland haben wir noch Gelegenheit Rentiere zu fotografieren. Das Wetter ist immer noch schön.



Viel Landschaft, wenig Rentiere... rechts: Der Könkämä älv


In Norwegen bekommt Sven einen Müdigkeitsanfall aber nach einer halben Stunde Schlaf auf einer Bank ist auch der vorüber.



Kleines Schlafpäuschen in schöner Umgebung


Weiter geht es Richtung Kautokeino. Während der weiteren Tour "begleitet" uns ein Wohnmobil mit deutschem Kennzeichen ZI. Es wird sich freundlich gegrüßt.

Wir fahren durchs Fjell, die Vegetation ist spärlich. Immer öfters fahren wir an größeren Schneeflächen vorbei. Die Birken werden immer kleiner und krüppeliger. Plötzlich fühlen wir uns in den späten Winter versetzt: Die Seen sind zugefroren, überall noch Schneefelder, die (wenigen) Bäume haben noch kein Laub.



Plötzlich befinden wir uns im Spätwinter




Nun geht es am Altaelv entlang in einem engen Tal langsam wieder abwärts. Der Fluß der mal gemütlich, mal in wilden Schnellen dahin fließt ist interessant zu betrachten. Wir kommen noch an einem Wasserfall vorbei, in dem sich das Licht der Sonne zu einem Regenbogen bricht. Leider fotografieren wir ihn nicht.

Plötzlich weitet sich das Tal, es wird merklich wärmer. Die Sonne scheint auf saftige grüne Wiesen, auf einigen weiden Kühe. Welch plötzlicher und krasser Gegensatz zu der Spätwinterlandschaft eben noch.

Wir erreichen Alta, wo zunächst die Tanks gefüllt werden. Ein Blick auf das elektronische Thermometer welches Martin in der Kartentasche seines Tankrucksacks transportiert weist 11° C auf.

Ein großer Reisebus mit Hamburger Kennzeichen tuckert in Alta die ganze Zeit vor uns her. Wir haben keine Chance ihn innerorts zu überholen. Echt nervig.

Auf unserem weiteren Weg Richtung Nordkap müssen wir das Sennalandet-Fjell überqueren. Das verspricht kalt zu werden. Es geht bergauf, die Landschaft ist noch tief verschneit. Wir frieren beide bei Temperaturen um 4° C. Wir halten noch an, um ein paar Fotos zu machen und uns etwas wärmer anzuziehen.



Auf dem Sennalandet Fjell ist es kalt! Lieber was überziehen...




Zu unserem Pech überholt uns während unserer Pause wieder der Hamburger Reisebus. Als Sven beim Überholen aus dem Windschatten des Busses kommt, wird er von der typischen Windbö erwischt. Die Windbö ist so heftig, heftiger ausgefallen zu sein, denn er geriet dabei ganz schön ins schwanken. Ui, das ist gerade nochmal gut gegangen. Heute ist Sven der Wilderer, ihm fliegt in voller Fahrt ein Vogel ins Motorrad, keine Chance für das kleine Ding. Allerdings hinterläßt dieser Vogel keine Blutflecken am Motorrad.

Es ist schweinekalt. Wir machen uns Hoffnung, daß es wärmer wird, wenn wir erst wieder auf Meeresniveau hinabgefahren sind. Daraus wird aber leider nichts. Es bleibt auch an der Küste um die 6° C, der Wind ist eisig. Wahrscheinlich strahlt das Meer noch ordentlich Kälte aus. Im Winter ist es umgekehrt.

Wir überlegen uns, bei dieser Kälte doch lieber in einer Hütte zu übernachten, das Wetter ist zwar schön, aber wir sind echt durchgefroren. Wir finden eine Hüttenvermietung in Repvåg. Wir rechnen zwar schon damit, daß es hier in Norwegen in der Nähe des Nordkaps etwas teurer ist, eine Hütte zu mieten, aber die 300 norwegischen Kronen (ca. 75,-- DM) für Hütte ohne Wasser und ohne Klo verschlagen uns fast die Sprache.

Als wir die uns zugewiesene Hütte Nr. 5 betreten denken wir erst, daß vergessen worden wäre die Hütte nach dem Winter wieder auszustatten. Keine Decken und Kissen auf den Betten (immerhin Matzratzen), kein Geschirr, kein Besteck, Nix. Eine einsame Herdplatte ziert den Tisch. Außerdem funktioniert der Strom nicht. Wir gehen wieder zur Rezeption und sagen, daß in der Hütte kein Bettzeug und Nix ist, aber man sagt uns, daß sei normal. Im Prinzip brauchen wir das Zeug auch nicht, da wir alles selbst dabei haben, aber dieser freche Nepp der stört uns schon.

Als wir auf den nicht funktionierenden Strom hinweisen sagt man uns, daß wir doch die Sicherungen kontrollieren oder die Glühbirne richtig reindrehen sollten. Das hatten wir natürlich schon getan. Erst als wir nicht lockerlassen gibt man uns sehr unwillig den Schlüssel für eine andere Hütte. Diese ist zwar ebenso mager ausgestattet, aber die Heizung funktioniert wenigstens. Außerdem hat die Hütte ein zusätzliches Heizgerät, dies gibt aber nach ca. 10 Minuten den Geist auf. Die Toiletten und Waschgelegenheiten hat man uns auch nicht gezeigt. Im Spaß beschließen wir, anstatt der Toilette die noch offen stehende Hütte Nummer 5 zu benutzen.



Die Nepphütte in Repvåg in karger Umgebung


Wir kochen wieder Tütenmenüs. Allerdings braucht die Luxusherdplatte 30 Minuten um einen halben Liter Wasser zum Kochen zu bringen.

Wir beratschlagen den morgigen Tag. Sven wird wohl doch mit zum Nordkap kommen und die ca. 30,-- DM Eintrittsgeld zahlen, auch wenn er schon zweimal da war. Wir hatten erst noch überlegt etwas vor dem Nordkap zu parken und die Kassierstelle zu umlaufen, aber wir werden das aus Bequemlichkeit wohl doch nicht tun.

Den Abwasch sparen wir uns. Den können wir auch morgen machen...

Dienstag, 17.6.97
Um 5:08 Uhr klingelt der Wecker, eine Stunde später stehen wir auf. Draußen ist es immer noch kalt. Wir kommen nicht so recht in Gang. Nachdem Martin in der Campingküche abgewaschen hat, macht ihn noch ein Skandinavier an, weil er die Spüle nicht trockengewischt hat. Die Motivation für solche Details fehlt bei den Nepp-Preisen hier natürlich völlig. Die Toilette ist der einzige Lichtblick. Sauber und warm.

Um 8:50 Uhr fahren wir los. Wir haben die Hütte diesmal nicht wie sonst gewohnt ausgefegt. Das muß ja wohl im Preis enthalten sein!

Wir kommen in Kåfjord an. Dort fährt die Fähre zur Nordkapinsel Magerøya. Magerøya heißt soviel wie magere Insel. Die Insel ist auch mager, weil es auf ihr keine Bäume mehr gibt. Noch in Olderfjord, ca. 40 km südlich von hier gab es einige Birken.

Die Fähre kostet umgerechnet ca. 15,-- DM für Mann+Motorrad pro Richtung, fast zivile Preise für norwegische Verhältnisse. Wir müssen auch nicht lange warten. Die Überfahrt dauert ca. 45 Minuten.



Die Fährüberfahrt zum Nordkap


1999 wird eine neue Straße eröffnet, die Magerøa über einen Tunnel und mehrere Brücken mit dem Festland verbinden wird, dann entfällt die Fährfahrt. Im Schiff hängen Plakate, die für die neue Straße werben. Könnte interessant werden, diese Strecke.

Während der Überfahrt schreiben wir Postkarten, man hat ja so seine Pflichten. Beim Verlassen der Fähre sehen wir wieder das Wohnmobil mit dem Kennzeichen ZI. Wir sahen sie gestern noch regelmäßig bis ca 70 km vor dem Nordkap. Nun müssen wir feststellen, daß sie es im Gegensatz zu uns scheinbar gestern noch geschafft hatten das Nordkap zu erreichen. Sie entdecken uns auch und es wird sich wieder zugewunken.

Die erste Stadt auf Magerøya heißt Honningsväg. Da unsere außerplanmäßige Hüttenübernachtung unsere norwegischen Geldreserven so ziemlich aufgefressen hat, wird in Honningsväg zunächst ein Geldautomat aufgesucht. Das ist kein Problem, denn Honningsväg ist wirklich eine richtige Stadt für hiesige Verhältnisse.

Wir begeben uns auf die letzten 30 km zum Nordkap. Zu unserem Leidwesen ist es mal wieder schweinekalt. Wir durchqueren jetzt eine fast pflanzenlose Welt. Außer ein paar moosbehäuften Steinen und einigen Flechtenarten, die aus der noch ziemlich dichten Schneedecke rausschauen, wächst hier gar nichts mehr. Schon einige Kilometer vorher erwischt man während der Fahrt immer wieder einmal einen Blick auf das Nordkap und das bekannte Horn.

Um 9:30 Uhr ist es dann endlich geschafft. Wir haben das Nordkap erreicht. Doch lange hält die Freude nicht an. Wir stellen mit Erschrecken fest, daß die "Wegelagerer" nun mittlerweile schon 175 Nkr (fast 50,-- DM) für den Eintritt zum Nordkap verlangen. Nichts desto trotz beißen wir wie vereinbart in der sehr sauren Apfel.

Wir stellen unsere Motorräder direkt an dem Kommerzbunker den die Norweger auf das Nordkap gepflanzt haben ab. Sven hat (wie immer) Schwierigkeiten seine XBR auf dem weichen Untergrund abzustellen, er eiert dann etwas unkoordiniert hin und her und schimpft laut, daß es bei diesen gepfefferten Preisen nicht einmal vernünftige Stellplätze für Motorräder gibt, sondern nur einen großen Drecksparkplatz. Irgendwann findet er einen etwas stabileren Untergrund und stellt sein Motorrad dort ab. Allerdings steht es nun mitten im Weg, Baufahrzeuge müssen nun immer um das Motorrad herumfahren, aber das ist ihm in dieser Situation auch scheißegal!!!

Eine R 1100 GT ist auch schon da, natürlich eine deutsche. Sven ist noch außer sich vor Wut über diese überhöhten Preise, sein Laune ist echt mies. Er beruhigt sich aber auch wieder.



Endlich am Nordkap! (Immer diese schlechten Selbstauslösefotos...) Rechts das Kap Knivskjelodden das noch ein paar hundert Meter weiter nach Norden ragt.


Wir schauen uns alles in Ruhe an, denn schließlich will man ja auch was haben für sein Geld. Die Postkarten werden am nördlichsten europäischen Postamt eingeworfen und es wird noch kurz zuhause angerufen und Erfolg gemeldet.



Das Touristenpostamt am Nordkap. Auch wir werfen hier unsere Postkarten ein...


Das "Rundkino" welches nur ein "halbrundes" Kino ist, liefert einen recht schönen aber wenig informativen Film.

Martins Freundin sammelt Strandsand und sie hatte ihn vor seiner Abreise gebeten doch ein wenig Sand vom Nordkap mitzubringen. Alles was es hier gibt ist Geröll. Einfach einen Stein aufheben ist ja nun auch nicht so toll, deshalb hüpft Martin über einen Zaun hinter dem der Abhang gähnt, und hebt dort einen Stein auf. Anzumerken ist, daß an dieser Stelle bestimmt 5 Meter zwischen Zaun und Abhang sind.



Ein Stein vom Nordkap muß "erkämpft" werden!


Es ist 12:30 Uhr. Ein Blick in unseren Fährprospekt sagt, daß genau jetzt eine Fähre fährt, die nächste leider erst um 15:45. So ein Pech, eigentlich sind wir fertig hier. Nun gut, wir laufen noch etwas sinnlos hin und her und steigen dann auf die Motorräder(eine R 1100 GS wurde neben unseren Motorrädern abgestellt, deutsches Kennzeichen), es geht langsam zurück Richtung Honningsvåg.

Hinter der Gabelung nach Skaidi hält Martin an. Dort zeigt auch ein Wegweiser zum "Kyrkporten" einer Gesteinsformation die ein wenig wie eine Kirchentür aussieht. Da wir noch viel Zeit haben, bis die Fähre kommt, beschließen wir uns diesen Kyrkporten noch anzuschauen.

Wir fahren die Straße ein paar Kilometer entlang, plötzlich ein neues Schild, daß den Berg hinaufzeigt. Zwei Fußgänger kommen gerade hinunter. Wir stellen unsere Motorräder ab und wollen nun auch den Berg hinauf. Erstmal behalten wir unsere Regenkombis an, weil wir zu faul sind diese auszuziehen. Wir hoffen, daß die Kyrkporten direkt hinter der ersten Kuppe ist, rechnen aber schon damit, daß evtl. doch ein weiterer Weg zurückzulegen ist. Sven nimmt noch die kleine Uhr aus seinem Tankrucksack mit damit wir rechtzeitig für die Fähre umdrehen können. Armbanduhren tragen wir z.Z. beide nicht.

Nach der ersten Kuppe bestätigt sich unsere Vermutung, keine Kyrkporten sondern lediglich eine weitere Kuppe ist zu sehen. Da uns langsam warm wird in unseren Regenkombis, ziehen wir sie aus und legen sie unter Steine (damit sie nicht wegwehen), so können wir sie auf dem Rückweg wieder einsammeln. Wir gehen weiter.

Mit dem Erklimmen der nächsten Kuppe haben wir sozusagen den Bergkamm erreicht. Von hier aus gibt es zwei Möglichkeiten, entweder den Kamm entlang Richtung Berggipfel oder wieder bergab zur anderen Seite des Berges. Wir gehen weiter Richtung Berggipfel.

Als Sven zur Sicherheit mal die Uhrzeit kontrollieren will bemerken wir, daß die Uhr leider in seinem Regenkombi ist, den wir auf halbem Wege zurückgelassen haben. Wir sind uns aber ziemlich sicher, daß noch genügend Zeit ist ein wenig weiterzulaufen. Von der Kyrkporten ist nichts zu sehen. Wir ärgern uns, denn Sven hatte in Hamburg noch eine super topographische Karte gekauft, auf der man jeden Stein erkennt. Die ist aber leider an seinem Motorrad. Wir laufen und laufen und laufen aber von der Kyrkporten bekommen wir nicht zu sehen.



Wenn wir den Kyrkeporten schon nicht finden wenigstens ein Foto vom entfernten "Horn"


Letztendlich entschließen wir uns zum Umdrehen. Wir sammeln unsere Regenkombis ein, ein Blick auf die Uhr bestätigt uns, daß wir noch genügend Zeit haben.

Wieder bei den Motorrädern angelangt gibt es erst mal eine kleine Stärkung, Sven schaut auf der Karte nach, ob bzw. wie wir an der Kyrkporten vorbeigelaufen sind. Laut seiner Karte hätten das höchstens 700 Meter sein dürfen, vermutlich hätten wir auf der anderen Seite wieder runter gemußt und nicht weiter bergauf. Schade.

Nachdem Sven sich dann noch seine letzten Fleece Klamotten angezogen hat, geht es dann aber wirklich zur Fähre. Kurz vor der Fähre in Honningsväg zeigt Martins Thermometer 2,2° C, die Minimalfunktion zeigt dann an der Fähre sogar 1,8° C. Aber zum Glück kann es ja von jetzt an nur wärmer werden, wir fahren ja Richtung Süden.



Fjellandschaft auf der Insel Magerøya, der Nordkapinsel


Vom Kartenhäuschen der Fähre aus können wir das Schiff schon sehen, wir werden nervös. Es ist zwar erst 15:20 Uhr (15:45 Uhr soll sie fahren) aber die nächste würde erst in drei Stunden fahren. Wir bezahlen also in Windeseile und fahren zwar wie aufgefordert in die fünfte Reihe, aber wir warten nicht vorne, sondern fahren direkt an die Fähre ran. Ups! Jetzt wo man so dicht an der Fähre steht, sieht man es deutlich, sie ist noch fast leer. Wie peinlich. Aber dafür stehen wir jetzt in der Pool-Position.

Während der Überfahrt gönnt sich Sven eine Mütze voll Schlaf. Martin schaut sich auf dem Schiff ein wenig um. Der GS-Fahrer vom Nordkap ist auch auf der Fähre. Wir verlassen die Fähre und fahren dann zügig Richtung Süden.

Wir durchqueren wie auf dem Hinweg zwei Tunnel. Man fährt in schwarze feuchte Löcher, wenn draußen die Sonne scheint (und man noch eine Sonnenbrille auf hat) sieht man wirklich garnichts. Der eine Tunnel hat sinnigerweise direkt hinter dem Eingang eine kurze Kurve, aber auch dieses Problem meistern wir.

Kurz vor Olderfjord wird die Vegetation wieder etwas üppiger, wenige recht kleinen Birken sind wieder zu sehen.

Weiter geht es wieder das Sennalandet Fjell zurück nach Alta. Diesmal kam uns das Fjell gar nicht so kalt vor wie auf dem Hinweg, wahrscheinlich weil wir mittlerweile schon wesentlich kältere Etappen hatten.

In Alta ist nun wieder richtiger Sommer. Grüne Wiesen, Laub an den Bäumen und Temperaturen über 10° C. Unglaublich, denn vor 200 km war alles noch im tiefsten Winterschlaf, weiße Landschaft und die spärliche Vegetation trug noch gar kein Grün.

Wir machen die Bäuche unserer Motorräder voll und kaufen dann in einer Art Videoverleih Telefonkarten. Martin ruft seine Freundin an, Sven hat Pech und erwischt nur den Anrufbeantworter.

Es geht weiter gen Süden auf der E6. Die Straße ist das genaue Gegenteil zu den Straßen in Schweden. In Schweden ging es fast nur geradeaus, kaum Kurven und kaum Höhenunterschiede. Das ist zwar genau das Richtige um Kilometer zu fressen, bereitet aber ganz bestimmt nicht die meiste Freude. Auf der E6 geht es jetzt hoch und runter, links und rechts, in langgezogenen Kurven um Fjorde und das alles in einer wesentlich rauheren bergigeren Landschaft als in Schweden. Martin ist begeistert. Hinzu kommt noch, daß das Wetter trocken und einigermaßen sonnig ist. Wir sind bester Laune.

Sven nutzt ein weiteres kurzes Päuschen um seine Freundin anzurufen, diesmal hat er Glück. Ein älterer Norweger spricht uns auf deutsch an, fragt Sven was PI (sein Kennzeichen) bedeutet. Wir antworten freundlich. Er erzählt uns, daß er selbst erst kürzlich in Hamburg war und das sie hier in Norwegen einen der kältesten Winter seit Jahrzenten hatten. Temperaturen unter -40° C und über 2,40 Meter Schnee. Deshalb ist es hier eigentlich auch noch viel zu kalt für diese Jahreszeit. Da haben wir uns ja ein tolles Jahr ausgesucht.

Im weiteren Verlauf wird die Straße wieder breiter und weniger kurvig, so daß wir wieder Geschwindigkeiten über 100 km/h fahren können.

Problematischer als in Schweden ist es, in Norwegen einen wilden Zeltplatz zu finden. Gerade hier oben im dünnen nördlichen Teil ist Norwegen sehr dicht besiedelt. Wir werden aber gegen 22:00 Uhr fündig. Ein wunderschöner Platz auf einem Hügel, der sich direkt aus einem Fjord erhebt. Man sitzt in einer leichten Brise (keine Mücken!!) und kann zuschauen wie die Mitternachtssonne über den Hügeln jenseits des Fjordes steht. Traumhaft. Allerdings sind wir nicht alleine, ein Wohnmobil und ein Pärchen mit PKW und Zelt haben sich ebenfalls auf diesem schönen Plätzchen ausgebreitet, sind aber einige hundert Meter entfernt.





Unser genialer Zeltplatz in Norwegen mit Blick auf die Mitternachtssonne


Abends wird Tütensuppe auf Martins Benzinkocher zubereitet. Wir können die wunderschöne Mitternachtssonne betrachten.

Mittwoch, 18.6.1997 Der Wecker läutet zwar wie immer, dennoch steht Martin erst gegen 07:00 Uhr auf. Sven sogar erst kurz vor acht. Der Himmel ist blau, die Sonne scheint. Frühstück mit Müsli, Brot und Kaffee im Freien. Eine unserer Müslitüten sorgt für Zeitvertreib, weil sie von einer Windbö erfaßt wird und bestimmt 100m hoch in die Luft gewirbelt wird. Wir können sie noch minutenlang bei Ihrem Flug über den Fjord beobachten, bis wir sie in der Ferne aus den Augen verlieren.

Gegen 10:00 Uhr trennen wir uns schweren Herzens von diesem schönen Platz und fahren weiter auf der E6 Richtung Süden. Martin versorgt seine Kuh mit Öl welches er an der ersten Tankstelle kauft. Da das Geschirr vom Frühstück noch dreckig, ist muß es abgewaschen werden. Svens Laune ist heut Morgen nicht die beste, außerdem läßt sich an der Tankstelle im Kies mal wieder kein geeigneter Platz zum Aufbocken der XBR finden. Also bleibt der Abwasch an Martin hängen, der dazu kurz die Örtlichkeiten der Tanke aufsucht.

Am Lyngenfjord braucht Sven mal wieder eine kurze Pause, Müdigkeit macht sich bei ihm bemerkbar. Nach 20 Minuten wird kurz ein Riegel Schokolade eingefahren und es geht weiter.

Da wir Norwegen jetzt bald verlassen werden, um in Schweden wieder Kilometer zu fressen, verprassen wir an einer Tankstelle noch unsere letzten 76 Nkr. Es gibt heiße Würstchen, Cola, Brot und Milch. Nicht gerade viel für das Geld (knapp 20.- DM).

Nun bekommt Martin seinen müden Punkt, also wieder anhalten, ausruhen. Eigentlich wollte er nur mal kurz Pause machen, als wir aber beide so im Gras liegen und zuschauen wie sich die Wolken (die doch hoffentlich nicht aus Schweden kommen) auflösen pennt Sven ein. Aber eine halbe Stunde später ist auch er wieder wach und wir fahren weiter.

Bei ca. 70 km/h verliert Sven seine Luxus-Wasserflasche (Modell "Mezzo-Mix", PET-Flasche). Dieses Modell ist aber äußerst robust, und trägt nur geringe Schäden davon. Etwas später verliert Martin seine Flasche (Modell "Fanta"), da er hinten fährt, bemerken wir den Verlust nicht.

Sven fällt beim Betrachten seines Hinterreifens auf, daß dieser kaum noch Profil hat. Er ist sich unsicher, will aber in Kiruna mal locker nach einem Reifenhändler Ausschau halten. Auch Martin betrachtet seinen Reifen. Das Profil ist noch in Ordnung nur die runde Form hat er verloren. Der Reifen ist in Schweden bei den vielen geraden Strecken wirklich platt geworden, vorher war er rund. Da er davon aber beim Fahren nichts bemerkt, will er dagegen aber auch nichts unternehmen.

Kurz vor Narvik schwenken wir wieder gen Osten und fahren über das Björnfjell nach Schweden. Da uns der Hunger plagt, entschließen wir uns zur Rast. Wir fahren auf einen Rastplatz, der an einem noch fast ganz zugefrorenen See liegt. Da wir uns aber nicht entschließen können, welchen Tisch wir nehmen sollen fahren wir weiter. Alle folgenden Rastplätze sind natürlich nicht so schön, so ein Ärger. Wir rasten dann ca. 30 km weiter an einem weniger schönen und ziemlich mückenverseuchten Platz.



An den Helmen sieht man's: Es gibt hier Mücken!


Es gibt Pottkieker Erbsensuppe mit dem Brot aus Norwegen, welches übrigens viel besser schmeckt als erwartet. Ein Blick zur schwedischen Seite läßt uns am stabilen Wetter zweifeln. Mitten in unserem opulenten Essen ertönt Zweitakter Geheule. Ein Mopped zieht aus Richtung Schweden vorbei, deutsches Kennzeichen HD, er grüßt, wir grüßen zurück. Schade, denken wir, den hätte man fragen können, was für ein Wetter uns erwartet. Egal, wir essen weiter. Plötzlich wieder Zweitakter Geheule. Er kommt zurück und auf unseren Rastplatz. Nach kurzem "Hallo" fragen wir wie das Wetter in Schweden ist, aber er geht überhaupt nicht auf unsere Frage ein, sondern quatscht nur kariert. Er sei auf der Suche nach zwei Motorradfahrern, daß er geblitzt worden ist und das er einen Reifen in Schweden gekauft hat. Sven wird hellhörig. Er erzählt uns, daß er kaum mehr als in Deutschland bezahlt hat, nämlich 1.200,-- SKR. Er nennt uns eine gute Adresse in O&slash;rebro, die für uns aber kaum in Frage kommt, da wir dann ja schon fast zu Hause sind. Bleibt uns vorerst also nur Kiruna.

Irgendwann begreift er dann scheinbar doch, daß wir gerne wissen würden, wie das Wetter in Schweden ist und er macht uns Hoffnung, denn angeblich hat er seit drei Tagen gutes Wetter. Nun zottelt er wieder ab.

Wir packen unsere sieben Sachen und fahren weiter. Bei Martin geht die Reserveleuchte der Tankanzeige an, Sven muß kurze Zeit später auch auf Reserve umschalten. Es sind noch etwa 70 km bis Kiruna. Nach 2 km bleibt Sven plötzlich liegen. Mit der Reserve hätte er aber mindestens noch 50 km fahren sollen. Maschin kapud? Ne, doch nur Tank alle. Aber der Reserveschalter ist wohl kaputt, aber zum Glück haben wir ja den Kanister mit. Hoffentlich reicht die Reserve der Kuh jetzt bis Kiruna.

30 km von Kiruna bauen wir dann unser Zelt auf. Da dieser Platz noch mückenverseuchter ist als der Rastplatz vorhin, bauen wir unser Zelt so auf, wie wir von den Motorrädern gestiegen sind: Mit Helm und Regenkombi! Danach putzen wir nur noch schnell Zähne, bevor wir vor den fliegenden Vampiren ins Zelt flüchten. Wir entdecken einen Rentierschädel derr auf dem Boden liegt.



Zelten im Busch kurz vor Kiruna mit Blick auf einen Rentierschädel


Der Tag wird nochmal bequatscht, Tagebuch wird geführt (keiner will so recht) und anschließend wird gepennt. Es ist 23:30 Uhr, macht denn hier niemand das Licht aus?

Donnerstag, 19.6.97
Der Wecker geht um 05:08 Uhr um 09:20 Uhr wird aufgestanden, das wird ja immer später. Nachdem kurz diskutiert wurde, ob Nachts ein Hund am Zeltplatz war (es war Gebelle zu hören) oder ob wir geträumt hatten, wird gepackt. Auf das Waschen verzichten wir aufgrund der immer noch recht zahlreich vorhandenen Mücken. Kiruna erreichen wir dann trotz der recht leeren Tanks problemlos. Zunächst wird getankt und die Wassereserven werden aufgefüllt. Martins Wasserflasche ist mittlerweile verloren gegangen, so macht Sven auch noch seinen Wassersack voll.

Sven erkundigt sich in der Tankstelle, wo denn hier ein Reifenfritze ist und wir haben Glück, denn der ist keine 100 Meter entfernt. Der passende Reifen ist auch auf Lager und soll samt Aufziehen und Auswuchten 1.200,-- Skr. kosten. Das scheint wohl der Einheitspreis in Schweden zu sein. Es ist mittlerweile 11:15 Uhr und die Techniker legen uns nahe, uns mit dem Ausbau des Rades zu beeilen, denn um 12:00 Uhr ist Mittagspause. Also, Reifen raus, abgeben, nach 20 Minuten Reifen mit neuem Mantel rein. Um 12:45 Uhr wird weitergefahren. Na das hat ja super geklappt.



Reifenwechsel


Sven war mit seiner Freundin mal im Januar in Jukkasjärvi im Eishotel und da das nur ein sehr kurzer Umweg nach Jukksjärvi ist schauen wir uns das mal im Sommer an. Außerdem erinnert sich Sven, daß auf dem Weg dorthin ein netter Rastplatz sein müßte und da wir immer noch nicht gefrühstückt haben, wollen wir die Gelegenheit nutzen.

Auf dem Weg dorthin gibt es aber noch einen kleinen Zwischenfall. Sven verliert sein Topcase in voller Fahrt (weil Martin ihn nicht ordentlich fest gemacht hatte, ha ha!). Martin, der gerade hinter ihm fährt, kann gerade noch ausweichen. Sven bekommt mal wieder nichts mit (wie auch?) und fährt fröhlich weiter. Martin sammelt das Topcase auf und wartet, daß Sven den Verlust von Topcase und Begleiter bemerken würde. Er wartet und wartet .....

Sven merkt, als er am angepeilten Rastplatz kurz vor Jukkasjärvi angekommen ist (ca. 2 km weiter), daß da was fehlt und kehrt um. Als er bei Martin ankommt, hat er den Verlust seines Topcase immer noch nicht bemerkt. Martin steht wortlos am Straßenrand und hält mit einer Hand das Topcase das auf seiner Gepäckrolle liegt fest. Das Topcase ist kaum zu übersehen. Sven fragt mehrmals nach dem Grund warum Martin einfach angehalten ist, : "Ist dein Motorrad kaputt?" oder " Ist dein Tank schon wieder alle?", sein Topcase sieht er immer noch nicht. Als Martin ihn dann endlich darauf hinweist, ist die Situation so komisch, daß Sven über sein zerschrammtes Topcase, nur noch lachen kann. Er setzt es wieder hinten drauf und weiter geht die Fahrt.

Der Rastplatz, den wir jetzt zunächst mal zum Zwecke eines Frühstücks aufsuchen, liegt am schönen, an dieser Stelle recht breiten Torneälven. Sven bemerkt, daß der Wasserstand in letzter Zeit recht schnell und stark gestiegen sein muß, denn im Uferbereich sieht man deutlich Butterblümchen die unter Wasser liegen. Es ist nur schwer vorstellbar, daß die da gewachsen sein könnten!



Rast am Torneälven kurz vor Jukkasjärvi


Von dem riesigen Iglu, dem Eishotel daß jeden Winter neu aufgebaut wird ist jetzt nur noch ein kleiner unscheinbarer Schneehaufen zurückgeblieben. Der wird natürlich trotzdem noch schnell fotografiert bevor es weiter geht.



Reste des Iglus von Jukkasjärvi. Im Winter siehts hier
so aus


Wir fahren, fahren, fahren, sind jetzt ganz schön fleißig und spulen die Kilometer nur so runter. Die Woche ist bald rum.... Das Wetter ist heute einigermaßen o.k. Wir geraten in einen zweistündigen Dauerregen, der bei Martin einen leichten Schweden-Schlechtwetter-Wutanfall hervorruft. Beim Überziehen seines Regenkombis findet er nicht auf Anhieb den Einstieg in den linken Ärmel, deshalb zerreißt er mit Gewalt das Innenleben seines Regenkombis. Hinterher geht es ihm gleich viel besser.

Überall sind mittlerweile die Vorbereitungen auf das Midsommar Fest zu beobachten. Mit schwedischen Flaggen und Birkenzweigen geschmückte Autos kommen uns entgegen. Auch die Häuser und sogar die Tankstellen werden mit Birkenstöcken geschmückt.

In Storuman wollen wir tanken. Es ist kurz vor 21 Uhr. Ungefähr einen Kilometer vorher ist Martins Tank wieder mal alle. Der Reservekanister wird eingefüllt. Angekommen in Storuman hat die Tankstelle inzwischen geschlossen. Nur noch die Automatenzapfsäule gibt uns Benzin, aber wir haben kaum schwedisches Bargeld. Wir tanken jeder zweieinhalb Liter und hoffen so bis Vilhelmina zu kommen. Mit Chance gibt es da eine länger geöffnete Tankstelle.

Einige Kilometer wor Vilhelmina schaltet Sven dann auf Reserve um. Hoffentlich kommt er diesmal etwas weiter als zwei Kilometer. Am Ortseingang beginnt Svens Motorrad zu stottern, aber es fährt noch.

In Vilhelmina sehen wir einen amerikanischen Army Pick-up mit riesiger US Flagge. Zwei Jugendlichen sitzen drin die in US-Army Klamotten gekleidet sind. Die tragen sogar olivgrüne Stahlelme. Entweder haben die einen großen Knall oder das gehört auch zum Midsommar Fest, wir vermuten aber eher Ersteres.

Wir telefonieren noch nach Hause und finden dann sogar noch eine offene Tankstelle. In Svens Tank passen 19,4 Liter, schon erstaunlich bei einem 19-Liter-Tank.

Abendbrot vertilgen wir an einem Rastplatz am Aångermanälven. Anschließend fahren wir weiter. Wir fahren noch bis ca. 1:00 Uhr und schaffen es bis kurz hinter Strömsund. Danach wird die Müdigkeit bei Sven zu groß und da wir nicht leichtsinnig werden wollen, schauen wir uns nach einem geeigneten Platz zum Zelten um. Wir nehmen einfach die nächste unasphaltierte Straße in einen Wald und eiern da eine ganze Zeit rum. So den richtig optimalen Platz finden wir nicht, ist ja aber auch nur zum Schlafen. Letztendlich werden wir dann doch noch fündig. Mit den Mücken ist es hier schlimmer als je zuvor. Aber mittlerweile geht das Zeltaufbauen so schnell, daß uns die Mücken kaum noch gefährlich werden. Lästig sind die aber trotzdem.

Nachts beginnen die Regentropfen auf das Zeltdach zu klopfen.

Freitag, 20.6.1997 5:08 Uhr. Es regnet immer noch. Deshalb können wir uns auch erst gegen 10:00 Uhr dazu motivieren, das Zelt zu verlassen. Außerhalb des Zeltes sieht es genauso aus wie gestern abend, Mücken, Mücken, Mücken.

Das Wetter sieht mittlerweile wieder ganz passabel aus. Ein bißchen Sonne ein bißchen Wolken. Wir bauen das Zelt zügig ab und fahren los. Nach einer Stunde dann endlich mal wieder ein Regenguß. Eine auf der Strecke liegende Bushaltestelle dient uns als Unterstand. Wir nutzen die Zeit für ein ausgiebiges Frühstück.

Als wir uns gerade so richtig schön breit gemacht haben in der Bushaltestelle gesellt sich noch ein älteres österreichisches Ehepaar, die auf einer Guzzi unterwegs sind, zu uns. Man quatscht ein wenig und als es aufhört zu regnen ziehen die beiden auch schon weiter. Die Frau ist recht klein und muß zum Besteigen des Sozius über die Fußraste des Fahrers aufsteigen und sich dabei an der Schulter des Fahrers hochziehen. Sieht zum Schießen aus. Aber nichts desto trotz bewundernswert, das die beiden in dem Alter noch so unkomfortabel reisen. Ob man später auch noch so fit ist?

Wir essen noch in Ruhe zu Ende. Mittlerweile haben wir beide auch ein wenig die Schnauze voll vom fahren und sind uns einig, daß wir nun möglichst zügig nach Hause wollen. Wir fahren jetzt immer größere und längere Etappen.

Da das Midsommarfest nun unmittelbar bevorsteht haben wir Angst später keine offene Tankstellen mehr zu finden. Aber eigentlich sollte das kein Problem sein, denn langsam kommen wir wieder in dichter besiedelte Regionen. In Borlänge erreichen wir eine noch offene Tankstelle gegen 19:45. Wir tanken und essen Eis. Hier gibt es Magnum-Eis auch in der Tüte und nicht nur am Stiel wie bei uns. Um 20:00 Uhr schließt auch diese Tankstelle.

Wir fahren weiter Richtung Örebro. In Örebro angelangt, staunen wir nicht schlecht, das war mindestens ein Schnitt von 120 km/h (und das obwohl max. 110 erlaubt sind, na sowas!). Hoffentlich geht das noch weiterhin gut, bisher haben wir noch keine Bekanntschaft mit der hiesigen Polizei gemacht. Innerorts halten wir uns aber im großen und ganzen auch an das vorgeschriebene Tempolimit.

Es wird wieder getankt und zur Abwechslung gönnen wir uns noch eine Pölser mit Brot. Wir sitzen vor der Tanke als eine superlaute Harley mit einer megalangen Gabel angechoppt kommt. Sieht ziemlich finster aus der Typ. Martin macht heimlich ein Foto von der Harley, wer weiß wie der Typ reagiert. Echt ein abgefahrener Bock.



Goiler Harley Eigenbau. Martin hat so viel Angst vor dem Fahrer, daß er das Vorderrad nicht mit aufs Foto bekommt...


Als Martin nochmal auf die Toilette geht kommt ihm der Harleyfahrer entgegen und grüßt freundlich. Immer diese Vorurteile. Als Martin von der Toilette kommt, ist die Harley immer noch da. Wie das halt ist mit so einer 1600er Harley und einem Kickstarter springt sie nicht an. Sven bietet ihm auf englisch an, anzuschieben, aber er versteht uns scheinbar nicht und lehnt ab. Einen Augenblick später läßt er sich dann nämlich von einem stämmigen Schweden anschieben. Die Harley springt an (war kaum zu überhören) und er zottelt nach einer Ehrenrunde und einem kurzen Gruß an uns ab.

Weiter geht es nach Jönköping, wir fahren wieder in einem Rutsch durch. Gegen 1:00 Uhr tanken wir wieder voll. Der Entschluß steht mittlerweile fest, wir versuchen durchzufahren. Doch zunächst pennen wir noch eine Runde auf den Motorrädern bzw. den Gartenmöbeln die vor der Tankstelle zum Verkauf geboten werden. Hoffentlich stört es niemanden.



Es gibt sicherlich bequemere Schlafmöglichkeiten


Samstag, 21.6.97
Gegen 3:45 Uhr nehmen wir die letzte Etappe in Schweden in Angriff. Nach ca. 10 km scheint uns das vermeintliche, dramatische Ende unserer Tour da zu sein. Bei über 100 km/h huscht ein Schatten von rechts nach links über die Autobahn. Ein dumpfer Knall ertönt. Die XBR rutscht über den Asphalt, Funken sprühen. Ein Reh ist Sven direkt vor das Motorrad gesprungen, keine Chance für ihn in irgend einer Form zu reagieren. Martin muß verdammt stark bremsen, um Sven nicht zu überfahren, so ein Körper wird auf dem Asphalt ganz schön gebremst.

Sven steht schon wieder als die XBR noch über den Boden schlittert, er kann sich vorstellen welche Gedanken der Hinterherfahrende in solchem Moment wohl haben muß. Verdammt weit rutscht man auf dem Hintern bei einer solchen Geschwindigkeit, es sind bestimmt hundert Meter. Erst rutscht er auf Händen und Knien, doch als das Leder am Knie allmählich alle wird und das Knie zu schmerzen anfängt dreht Sven sich dann doch lieber auf den Rücken. Martin kann es gar nicht glauben, daß Sven sich nichts getan hat. Der Schrecken sitzt tief.

Sven geht nochmal in sich, ob er auch wirklich nichts hat und zum Glück scheint zumindest mit ihm alles in Ordnung zu sein. Das Reh liegt tot mitten auf der linken Spur der Autobahn und die XBR am rechten Fahrbahnrand. Und was nun, ADAC, Polizei?

Zwei Autos fahren ohne anzuhalten vorbei, obwohl dutlich sichtbar ein totes Reh auf der Überholspur liegt, ein Motorrad mit Warnblinker auf dem Seitenstreifen steht, ein anderes Motorrad hinter einer langen schwarzen Spur am Straßenrand liegt und zwei Motorradfahrer verwirrt auf der Autobahn umherspazieren. Im Nachhinein waren wir aber ganz froh darüber, so hatten wir wenigstens keine weiteren Schererein.

Zunächst mal den Zustand der XBR überprüfen. Als wir sie aufgebockt haben, sieht das Ganze gar nicht so schlimm aus wie erwartet. Die Gabel ist wohl leicht verbogen. Sven macht eine kurz Probefahrt. Außer daß der Lenker nun nach rechts etwas schief ist, meint Sven damit fahren zu können. Martin erinnert noch daran, die Bremsen zu testen... Außerdem darf er das Reh noch beiseite ziehen, Sven mag nicht. Naja, es war auch nicht das ganze Reh dort auf der Straße, nur der Vorderteil und der Rumpf. Die Hinterläufe sind sonstwo hingeflogen.

Allerdings sieht Sven in der Nähe des Rehs noch ein vermeintliches Gepäckstück auf der Fahrbahn liegen. Er geht hin, aber das Gepäckstück entpuppt sich als der Magen des Tiers. Würg!

Natürlich vermuten wir daß Wildunfälle wohl auch in Schweden gemeldet werden müssen. Ihr braucht uns deswegen also nicht hundertfach anzumailen. Aber irgendwie war die Situation nicht danach, wir waren von dem Geschehen wohl doch etwas überrumpelt.

Wir fahren weiter zunächst mit sechzig, dann mit achtzig, hundert und schließlich sogar fast mit einhundertzwanzig. Funktioniert dann nämlich doch besser mit der XBR als erwartet. Man muß eben nur den Lenker schief halten...



Kaputtes Mopped und kaputte Klamotten...


Wir landen sicher in Helsingborg. Martin ist total angespannt und kaputt. Ihn scheint der Wildunfall mehr mitgenommen zu haben als Sven, der lacht sich nämlich mittlerweile halb tot darüber. An der Tanke begutachten wir die Schäden noch einmal genauer, mittlerweile ist es auch wieder hell. Nicht nur das Motorrad ist in Mitleidenschaft gezogen, sondern auch Svens Klamotten. Der Regenkombi ist hin, der Fleecepullover den er unter dem Regenkombi trägt logischerweise auch. Seine Jacke ist in Ordnung. Die Hose hat am Knie auch ein Loch aber Sven schaut lieber nicht nach wie sein Knie aussieht. Der Tankrucksack ist angeschreddert, die Ortlieb-Rolle auch, die Regenschuhe sind völlig zerfetzt, die Stiefel leicht angeschreddert. Der rechte Koffer ist ziemlich zerkratzt, funktioniert aber noch. Der rechte Lenker und somit der Gasgriff sind etwas kürzer geworden. Fährt sich etwas unbequem.

Wir fahren zur Fähre und sind nach ca. 20 Minuten Wartezeit an Bord. Dänemark ist wie immer ziemlich unspektakulär. Abgesehen von einer kurzen Kaffeepause halten wir uns auch nicht lange in Dänemark auf. Bei trockenem Wetter fahren wir in Roødby auf die Fähre, bei richtigem Sauwetter in Puttgarden wieder runter. Also, für die letzten 150 km doch noch wieder die Gummihaut über.

Am Autobahnkreuz Hamburg-Ost verabschieden wir uns mit Hupen und Winken, wir sehen uns ja übermorgen in der Firma wieder.

Wir sind doch tatsächlich von Strömsund bis Hamburg mehr oder weniger durchgefahren. Das waren über 1400 Kilometer. Aber aufkommende Müdigkeit hat das Erlebnis mit dem Reh völlig weggeblasen. So hat doch alles sein gutes. Ach ja, die selbstgebastelten Funkgeräte haben wir nicht ein einziges mal benutzt. Irgendwie kam uns die Aktion plötzlich doch etwas lächerlich vor. Aber war schön mal etwas gebastelt zu haben.


Bei Fragen und Anregungen schreib doch einfach eine Email an
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